Seit ihrer Gründung steht die Rheinische Kantorei für Interpretationen im Sinne historischer Aufführungspraxis. Die Stimmen überzeugen durch hellen, strahlenden Klang, absolute Intonationsgenauigkeit, perfekten Zusammenklang, sorgfältig erarbeitete Diktion, Transparenz und Leichtigkeit. Das verleiht dem Ensemble seine Charakteristik, die es zu einem der führenden Vokalinterpreten alter Musik macht. Durch die stilorientierte Professionalität können Solopartien aus dem Chor besetzt werden. Die Besetzung des Ensembles variiert zwischen acht und zweiunddreißig SängerInnen. Das Repertoire ist nicht auf Musik aus Renaissance oder Barock beschränkt. Ebenso stehen Werke aus Klassik und Romantik auf den Konzertprogrammen. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Aufführung unbekannter Werke. Viele von ihnen wurden von Hermann Max entdeckt und vor dem endgültigen Vergessen bewahrt. Neben konzertanten Aufführungen werden sie durch die Einspielung auf Tonträgern einem breiten Hörerkreis zugängig gemacht. Das Ensemble überzeugt in seinen Konzerten und CD-Einspielungen durch sprachorientierte Wiedergaben, was in Oratorien und Opern gemeinsam mit dem Orchester Das Kleinen Konzert deutlich wird. Die Klangkörper Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert erhalten im Zeitraum 2020 bis 2022 im Zuge der Stärkungsinitiative Kultur des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen eine Ensembleförderung.
Einem Vorbild aus dem 18. Jahrhundert verdankt das Barockorchester Das Kleine Konzert seinen Namen: 1743 wurde in Leipzig Das Große Konzert gegründet, aus dem später das Gewandhausorchester hervorging. Präzises Zusammenspiel und stilsichere Interpretationen zeichnen das Ensemble ebenso aus wie die Darstellung von Affekten bis hin zu opernhafter Dramatik. Das jahrelang erprobte Zusammenspiel des Ensembles hat bei Aufführungen der Werke des reinen Orchesterrepertoires zu einer Klangrede von großer gestischer Kraft (Salzburger Nachrichten) geführt.
Eine ihrer Schlüsselfiguren der Historischen Aufführungs-praxis ist Hermann Max, der an der Berliner Musikhochschule Kirchenmusik und an der Kölner Universität Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Archäologie studierte. Unermüdliche Forschungsarbeit in Bibliotheken und Archiven, Erstellung originalgetreuer Notentexte nach entsprechenden Quellen und die Sicherstellung authentischer Aufführungen sind einige seiner Arbeitsgebiete.
Zahllose hervorragende Werke vor allem aus der Zeit des Barock hat er vor dem Vergessen bewahrt. Standardwerke wurden von ihm in beispielgebenden Aufführungen, Rundfunk- und CD- Produktionen realisiert. Dafür stehen die von ihm gegründeten Ensembles - Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert - zur Verfügung. Eine ganze Musiklandschaft wurde durch die Arbeit von Hermann Max aufgearbeitet: die Musik Johann Sebastian Bachs, seiner Söhne und zahlreichen Verwandten, seiner Vorgänger und Nachfolger im Amt des Thomaskantors, seiner Zeitgenossen, Kollegen und Schüler. Zahllose Rundfunkmitschnitte, Produktionen für den WDR, den Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur sowie preisgekrönte CD-Produktionen zeugen von dieser ambitionierten Arbeit. 1998 erhielt er den Telemann-Preis der Stadt Magdeburg und 2008 die Bach-Medaille der Stadt Leipzig für seine Verdienste um die Musik Johann Sebastian Bachs und seiner Familie. 1992 gründete er das Festival Alte Musik Knechtsteden, das alljährlich im September in der romanischen Basilika des Klosters Knechtsteden stattfindet.
Edzard Burchards wurde 1966 in Oldenburg geboren. Nach dem Abitur studierte er zunächst Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. 1991 folgte ein Dirigierstudium bei Prof. Martin Schmidt und Michael Procter an der Musikhochschule Karlsruhe sowie Meisterkurse in Dirigieren und historischer Aufführungspraxis bei Tõnu Kaljuste, Martin Gester, Karlheinz Stockhausen und Eric Ericson.
Bereits während seines Studiums nahm Edzard Burchards eine rege Konzerttätigkeit als Dirigent und Sänger auf. Er wirkte bei zahlreichen CD- und Rundfunkaufnahmen mit.
Als Ensemblesänger wird er regelmäßig zu Produktionen mit dem Collegium Vocale Gent, dem Balthasar-Neumann-Chor, dem Vocalconsort Berlin, Al Ayre Español und anderen internationalen Ensembles eingeladen. 1998 unterstützte Edzard Burchards seinen Lehrer und Freund, den 2012 verstorbenen englischen Chorleiter und Musikwissenschaftler Michael Procter, bei der Gründung des Ensembles Hofkapelle mit dem Ziel, die Musik der Renaissance auf authentische Weise aufzuführen. In diesem Ensemble konnte er sich als Sänger intensiv mit der Musik von 1450 bis 1650 auseinandersetzen und erlangte fundierte Kenntnisse über ihre theoretischen Grundlagen.
Edzard Burchards gibt sein Wissen in Seminaren an erfahrene Chorsänger und -sängerinnen weiter. In diesen Seminaren wird Musik der Renaissance und des Frühbarock erarbeitet und in Gottesdiensten bzw. Konzerten aufgeführt.
Im Jahr 2008 wurde an Hermann Max die Bach-Medaille der Stadt Leipzig vergeben. Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, überreichte die Auszeichnung während eines offiziellen Festaktes am ersten Bachfest-Sonntag im Gohliser Schlösschen. Max wurde mit der Bach-Medaille für sein Lebenswerk geehrt, das eng mit der Musik Johann Sebastian Bachs verknüpft ist.
Jung bezeichnete Hermann Max als einen Sohn Bachs, da er als ehemaliger Schüler Karl Straubes und Günther Ramins direkt in der Leipziger Tradition des ehemaligen Thomaskantors stehe. Die Laudatio hielt Prof. Christoph Wolff, Direktor des Bach- Archivs Leipzig. Er ist seit Studienzeiten mit Max bekannt, gemeinsam studierten sie in Berlin Kirchenmusik. Wolff würdigte Max’ jahrzehntelanges Engagement, eine gesamte Epoche der Kirchenmusik durch Maßstäbe setzende Aufführungen wieder lebendig gemacht zu haben. Mit der systematischen Präsentation von Werken Johann Sebastian Bachs, seiner Familie, Schüler, Zeitgenossen, Amtsvorgänger und -nachfolger leistete Max einen musikhistorisch bedeutenden Beitrag zur Wiederentdeckung und Klärung von Bachs Umfeld.
Für Hermann Max sind musikalische Aufführungspraxis und das „Herumstöbern“ in Archiven – was ihm den Ruf eines Ausgräbers verschütteter Werke eintrug – unmittelbar miteinander verbunden. In seiner Dankesrede fasste er zusammen, worauf es ihm bei seiner Arbeit mit der Rheinischen Kantorei und dem Kleinen Konzert stets ankam:
„Im Zentrum unserer Arbeit stand von Anfang an zu zeigen, dass Johann Sebastian Bach nicht der Titan war, an dem gemessen die gesamte Musik vor ihm und zunächst nach seinem Tode minderen Ranges war. Nein – dies wollten wir zeigen: Bachs Komponistenvorgänger, Zeitgenossen, Nachfolger und Söhne waren nicht nur gute kompositorische Handwerker, sondern Könner, die die Musik zu einem Medium machten, mit dem sie uns […] menschliche Katastrophen, tiefes Leid und glückhafte Wunder lehrhaft bewegend in Ohren und Bewusstsein trugen.“
Die Stadt Leipzig stiftete 2003 die Johann-Sebastian-Bach-Medaille und verleiht sie seither jährlich an international herausragende Interpreten für deren besondere Verdienste um die Aufführung und Pflege der Musik Johann Sebastian Bachs. In den vergangenen Jahren erhielten die Bach-Medaille Nikolaus Harnoncourt (2007), Ton Koopman (2006), Sir John Eliot Gardiner (2005), Helmut Rilling (2004) und Gustav Leonhardt (2003). (Presseerklärung des Bach-Archivs Leipzig, 16.06.2008)
(Quelle: Bach-Archiv Leipzig, Fotos: Gert Mothes)