Die Rheinische Kantorei hat gemeinsam mit dem WDR seit den 1980er Jahren eine Vielzahl von Einspielungen vorgelegt und dabei auch immer wieder Raritäten zum Vorschein gebracht. Selbst die frühesten Aufnahmen sind dank technischer Meisterschaft der Tonmeister auch nach heutigen Maßstäben von bestechender Tonqualität. Diese Diskografie ist die vollständige Auflistung aller von der Rheinischen Kantorei eingespielten Werke.
Gottfried Heinrich Stölzel (1690-1749)
Passions-Oratorium
Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld (1731)
Künstler: Veronika Winter, Franz Vitzthum, Markus Brutscher, Martin Schicketanz, Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert, Hermann Max
Label: CPO, DDD, 2019
Erscheinungstermin: 26.04.2021
Erst in der jüngeren Vergangenheit haben Bibliotheksfunde deutlich gemacht, dass JS Bach der Musik seines Gothaer Kollegen Stölzel einen hohen Stellenwert einräumte. Doch was genau machte Stölzels Werk so interessant für Bach und auch einige seiner Zeitgenossen? Wie beim Text der berühmten Brockes-Passion, der nicht nur von Telemann und Händel, sondern später auch von Stölzel in Musik gesetzt wurde, handelt es sich nicht um einen durch Arien erweiterten Bibeltext, sondern um eine freie Nachdichtung des Passionsgeschehens. Während der Evangelist gleich einem Live-Berichterstatter die letzten Stunden Jesu dokumentiert, agieren die »Gläubige Seele« und die »Christliche Kirche« mit der Perspektive des Wissens um den Ausgang der Geschichte. Das Oratorium ist in 22 sogenannte »Betrachtungen« unterteilt, die die unterschiedlichen Sichtweisen der drei allegorischen Figuren auf einzelne Momente der Handlung konzentrieren. Gewiss ist, dass diese eindrückliche Musik bei jedem Hörer ganz individuell nachwirken wird – ähnlich wie auch bei Johann Sebastian Bach, der etliche Jahre später noch einmal die Manuskripte aus seiner Notenbibliothek zog und die Arie der 13. Betrachtung, »Dein Kreuz, o Bräutigam meiner Seelen«, als Vorlage für seine eigene Arie »Bekennen will ich seinen Namen«, BWV 200, verwendete.
klassik-heute.com 06/2021: »Mit dieser lebendigen Darstellung einer 300 Jahre alten Passionsmusik, die nicht wie Bachs Passionen seit dem frühen 19. Jahrhundert im musikalischen Gedächtnis der Generationen in jeweils unterschiedlichen Formen wieder lebendig wurden, haben Hermann Max und seine Mitstreiter dem Verständnis geistlicher Musik des frühen 18. Jahrhunderts einen Dienst erwiesen, der die Zustimmung aller Liebhaber der Musik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ans Herz gelegt werden muss! Deutschlandfunk Kultur liefert als coproduzierender Sender ein exzellents Klangbild.«
Georg Philipp Telemann (1681-1767)
Markus-Passion (1759)
Veronika Winter, Anne Bierwirth, Georg Poplutz, Markus Flaig, Ekkehard Abele, Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert, Hermann Max
Label: CPO, DDD, 2018
Erscheinungstermin: 24.02.2020
Telemanns Markus-Passion 1759
In jüngerer Zeit tauchte in der Bibliothek des Königlichen Konservatoriums zu Brüssel eine unbekannte zeitgenössische Partitur-Abschrift der Markus-Passion auf, die fälschlicherweise dem Magdeburger Musikdirektor und Komponisten Johann Heinrich Rolle zugewiesen worden war. Auf Basis der neu identifizierten Kopistenhandschrift, steht heute nun eine weitgehend originale Fassung von Telemanns Markuspassion 1759 zur Verfügung, auf der die vorliegende Aufnahme basiert. In den Evangelientext wurden neu gedichtete „poetische Betrachtungen“ eingefügt.. Der unbekannte, theologisch gebildete Dichter dieser betrachtenden Arien und Accompagnati, der in Absprache mit dem Komponisten zugleich die Auswahl der Kirchenlieder und die Gesamtanlage des Librettos bestimmte, verband die geistliche Sendung des Textes mit einer ausgeklügelten Affektdramaturgie. Die unterschiedlichen Affektbereiche, denen der Komponist folgt, orientieren sich an den jeweils in den Rezitativen geschilderten Situationen. Dabei können innerhalb einer Arie durchaus harte Affektkontraste gegeneinander stehen. Und noch offensichtlicher als in den Arien wird Telemanns dramatische Schilderungskunst in seinen Accompagnati. Bemerkenswerterweise wird in der neu entdeckten Quelle für den Evangelisten nicht der sonst übliche Tenor verlangt, sondern ein Altus. Dies ist kein Einzelfall, auch in den anderen zwischen 1758 und 1766 enstandenen Passionen setzt Telemann für den Testo andere Stimmen als den Tenor ein. Die Gründe für diese Abweichung sind ungewiss. Bekannt ist lediglich, daß Telemann in dieser Zeit gewisse Probleme mit seinem neuen Tenoristen Wilhelm Jacob Credius (1724–1778) hatte. Allerdings ist auch von Telemanns Amtsnachfolger Carl Philipp Emanuel Bach bekannt, dass er den Evangelistenpart unterschiedlichen Stimmlagen zuordnete. Hermann Max hat sich bei der vorliegenden Aufnahme dafür entschieden, die Altpartie eine Oktave abwärts in die Baritonlage zu transponieren, so wie dies schon Georg Michael Telemann in seiner Werkfassung getan hatte.
klassik.com rezensiert (04 / 2020): »Sehr schöne Telemann-Passion: Sie zeigt den Komponisten im Vollbesitz seiner gestaltenden Kraft. Telemann war ohne Zweifel ein ganz und gar außergewöhnlicher Könner. Eine schöne Gelegenheit, wieder einmal den Versuch zu wagen, nicht alles an Bach messen zu wollen, was in dessen zeitlichem Umfeld musikalisch geschah, und sich stattdessen künstlerisch überzeugen zu lassen.«
rbb-onlinde.de rezensiert ( 04 / 2020): »Hermann Max beschäftigt sich seit weit mehr als 30 Jahren intensiv mit dem Werk von Telemann. Auch diese neueste Einspielung der Markus-Passion 1759 zeugt von seiner tiefen Telemann-Erfahrung. Die Instrumentalfarben sind fein abschattiert, die dramatischen Kontraste hervorragend herausgearbeitet, die Tempi immer spannungsvoll. Die Rheinische Kantorei und das Kleine Konzert sind bestens aufeinander abgestimmt und agieren als harmonische Einheit. Im ebenfalls sehr gut besetzten Solistenquintett ragt Georg Poplutz mit wunderbar klarer und wortverständlicher Stimme als Evangelist und Sänger der Tenorarien hervor. Fazit: Wieder eine überzeugende Alternative zu den Bach-Passionen in einer anrührenden Interpretation.«
Johann Friedrich Fasch (1688-1758)
Missa G-Dur
Kantate "Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen"
Orchestersuite A-Dur
Veronika Winter, David Erler, Tobias Hunger, Matthias Vieweg, Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert, Hermann Max
Label: CPO, DDD, 2017
Erscheinungstermin: 21.8.2018
Johann Friedrich Fasch auf den Spuren Telemanns
Als Hofkapellmeisters von Zerbst war Johann Friedrich Fasch den aktuellen konfessionellen Entwicklungen, wie der Auseinandersetzung mit dem Pietismus, direkt ausgesetzt, hatte er doch von Beginn seiner Tätigkeit an zu jedem Hofgottesdienst und zu allen kirchlichen Festtagen die Kirchenmusik zu komponieren. Fasch verband mit der Komposition seiner Kantaten eine Mission: Es lag ihm sehr daran, dass die Zuhörer gegenüber den gesungenen Texten nicht gleichgültig blieben. Und so wandte er allerlei kompositorische Kunstgriffe an, um die Aufmerksamkeit zu fesseln und ihm besonders wichtige Worte herauszuheben. Bereits der Beginn der Kantate Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen zeigt diese Vorgehensweise eindrucksvoll: Der eröffnende Bibeltext wird nach einer kurzen instrumentalen Einleitung nicht wie üblich vom Chor, sondern zunächst vom Solosopran vorgetragen. In Faschs Missa in G-Dur zeigen sich dann nahezu alle Facetten seines musikalischen Talents – von Arien mit obligaten Soloinstrumenten bis hin zu groß angelegten Chorfugen, die an Sänger und Instrumentalisten gleichermaßen hohe Ansprüche stellen –, allesamt komponiert zur Unterhaltung und Erbauung seiner fürstlichen Arbeitgeber und zum Ruhme Gottes. Ergänzt wird die CD noch mit einer seiner musikalisch außerordentlich qualitätsvollen Ouvertürensuiten, zu der er in seiner Autobiographie bekannte: „Bey dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, es öffentlich zu bekennen, daß ich aus meines geehrtest und geliebtesten Freundes, des Herrn Capellmeister Telemanns schönen Arbeit damahlen meist alles erlernete, indem ich solche mir, besonders bey den Ouverturen, beständig zum Muster nahm“
Klassik-heute rezensiert (10/2018): "Das mit jeweils drei Sängerinnen und Sängern besetzte Vokalensemble, aus dem sich die Solisten rekrutieren, und ein schlankes Orchester garantieren vorzügliche musikalische Leistungen, die Max erlauben, seine differenzierten Vorstellungen von Faschs Musik gültig umzusetzen. Hier weiß Hermann Max die subtile Verbindung von althergebrachter Satztechnik und dem modernen galanten Stil, die Faschs Instrumentalmusik kennzeichnet und ihr ausgesprochen persönliches Gepräge verleiht, vorzüglich darzustellen."
FonoForum rezensiert (10/2019): "Allein schon die Ausdrucksstärke der Messe rechtfertigt diese schöne Einspielung."
Johann Friedrich Reichardt (1752-1814)
Die Geisterinsel (Singspiel in 3 Akten)
Ulrike Staude, Romelia Lichtenstein, Markus Schäfer, Ekkehard Abele, Barbara Hannigan, Tom Sol, Jörg Hempel, Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert, Hermann Max
Label: CPO, DDD, 2002
Erscheinungstermin: 13.11.2017
Ein Meisterstück von Poesie und Sprache
Die „Geisterinsel ist ein Meisterstück von Poesie und Sprache: es läßt sich nichts musikalischeres denken“. Diesem positiven Urteil, das Goethe 1798 abgab, schloß sich 1801 der in Sachsen-Weimar regierende Herzog Carl August an, indem er schrieb, in diesem Bühnenwerk sei „wircklich schöne Musick darinnen“. Beide Fürsprecher bezogen sich auf ein Singspiel in 3 Akten, das am 6. Juli 1798 im Nationaltheater Berlin uraufgeführt worden war und in diesem Hause bis 1825 55mal nachgespielt wurde. Autoren dieses erfolgreichen Stücks waren der in Gotha geborene Friedrich Wilhelm Gotter und Friedrich Hildebrand von Einsiedel sowie der aus Königsberg stammende Komponist Johann Friedrich Reichardt. Vor allem in den Ensemble- und Finalszenen erreicht der Komponist eine Komplexität, die er bei Gluck und Mozart kennengelernt hatte.
Klassik-heute rezensiert (29/12/17):
"(...)Die Produktion des WDR ist schon fünfzehn Jahre alt, mithin beinahe „historisch“, aber sie ist auch zum jetzigen Zeitpunkt noch hochwillkommen, lässt sie doch eine lange vergessene Perle der Gattung Singspiel wieder lebendig werden. Und diese Lebendigkeit ist das große Verdienst des Dirigenten Hermann Max und seiner exzellenten Instrumentalisten „Das Kleine Konzert“, die Reichardts Klangzaubereien mit Delikatesse und Wärme vergegenwärtigen. Dabei ist der Dirigent aber immer auf dramatische Unmittelbarkeit bedacht und durch die untadelige Diktion der Sänger lässt sich auch ohne die Hilfe der abgedruckten Gesangstexte die Handlung in allen Einzelheiten nachvollziehen."
Johann Christoph Friedrich Bach (1732-1795)
MISERERE in C
Künstler: Maria Zadori, Lena Susanna Norin, Guy de Mey, Klaus Mertens, Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert, Hermann Max
Label: MDG, DDD, 1988/1994
Erscheinungstermin: 1.3.2017
Johann Christoph Friedrich Bach war ein Kind seiner Zeit. Und das war eine Zeit des Umbruchs und tiefgreifender Veränderungen, politisch wie kulturell, gesellschaftlich wie philosophisch. Das »Miserere« und die Motette »Wachet auf! ruft uns die Stimme« dokumentieren diese Umwälzungen exemplarisch. In einer Übernahme aus dem Schallarchiv präsentiert MDG eine inzwischen schon historische Aufnahme, die der Pionier der historisch informierten Musikpraxis Hermann Max mit der Rheinischen Kantorei und seinem Ensemble »Das Kleine Konzert« für den Westdeutschen Rundfunk produziert hat.
klassik.com rezensiert: (...) Musterbeispiel historischer Aufführungspraxis: Die vorliegende beim Label MDG veröffentlichte Einspielung zweier Werke von Johann Christoph Friedrich Bach, 'Wachet auf, ruft uns die Stimme' und 'Miserere' in c, reiht sich in die Liste mehrerer Beiträge dieses Komponisten ein, die bisher von der Rheinischen Kantorei präsentiert wurden. Es handelt sich nicht um eine Neueinspielung, sondern um bereits länger zurückliegende Aufzeichnungen aus den Jahren 1988 und 1994. Schon diese frühen Einspielungen des mittlerweile seit 40 Jahren bestehenden Ensembles sind ein Beweis der enormen künstlerischen Qualität. Die Interpretation zeichnet sich durch einen außergewöhnlich schlanken und transparenten Stimmklang aus, in dem jeder Ton, jede Stimme musikalisch und textlich nachzuvollziehen ist, ohne dass der Klang jemals zu wuchtig wird. Die Rheinische Kantorei harmoniert wunderbar mit dem Kleinen Konzert, zumal die Instrumentalisten mit gleicher stilistischer Souveränität, Emotionalität und Intonationssicherheit aufwarten wie die Chorsänger. Komplettiert und gekrönt wird der Gesamtklang durch die Mitwirkung der vier Solisten - Sopran (Mária Zádori), Mezzosopran (Lena Susanne Norin), Tenor (Guy de Mey) und Bariton (Klaus Mertens). Ganz im Sinne der historischen Aufführungspraxis gelingt es ihnen, einen jeweils charakteristischen Stimmklang zu erzeugen, der in jeder Hinsicht ausgewogen ist und zu keiner Zeit aufdringlich wirkt. Das Vibrato bleibt in einem Rahmen, der dem Zeitalter der Frühklassik angemessen ist und ohne romantische Übertreibung auskommt, die Stimmfarben zeichnen sich durch eine Weichheit und Klarheit aus, die dem Hörer bereits bei den Chorstimmen ins Ohr sticht und so für einen ausbalancierten und wohlgerundeten Gesamtklang sorgt."